Erfolgsfaktoren von Beratungstools: Nicht nachlassen!
In der Interessensgemeinschaft Beratungsunterstützung konnten wir bereits zwei spannende Themen diskutieren. Hinter uns liegen der Aufbau des Beratungszimmers und die Abbildung der Beratung in die Selbstberatung im Omnichannel. Reflexion bringt Erneuerung und genauso widmeten wir uns Hemmnissen und Beschleunigern in der Organisation, die Erfolgsfaktoren für Beratungstools darstellen (können). Mitdiskutiert haben bei diesem Mal die Thurgauer Kantonalbank, Basler Kantonalbank mit Bank Cler, die Schaffhauser Kantonalbank, Hypothekarbank Lenzburg und die Schwyzer Kantonalbank.
Der Weg zur akzeptierten und auch wirklich genutzten Beratungsunterstützung kann abenteuerlich sein. Verantwortliche eines solchen Vorhabens bewegen sich in der eigenen Organisation, begegnen den unterschiedlichsten Gegebenheiten und Anforderungen. Begeisterte Befürworter und vehemente Ablehner helfen oder bremsen. Lässt sich das systematisieren? Ob kleine oder grosse Hindernisse, teils sichtbar, oft unerwartet: Durchhalten und Abwarten, Adressieren oder Eskalieren? Gibt es eine geheime Zutat? Was passiert in den frühen, was in den späteren Phasen des Lebenszyklus der unterstützenden Tools? Gerüchte machen sich breit, dass Berater das Tool gar nicht nutzen… was nun? Wir suchen nach Zutaten, Rezepten und Frühwarnzeichen!
Erfolgsfaktor Beratungsmethodik: Vom Produktverkauf zur ganzheitlichen Beratung
De facto konnten wir gemeinsam auf allen Ebenen der Beratungsunterstützung Herausforderungen aufdecken – bei vielen sind sowohl die Ursachen als auch ihre Lösung gleich oder mindestens sehr ähnlich.
Praktisch jede Teilnehmerbank berichtet den Shift vom Produktabverkauf zur ganzheitlichen Beratung kurz vor oder während der Einführung des Unterstützungstools. Das ist im Sinn der Bank, die mehr Verkaufschancen pro Kunde ausloten kann, sollte aber auch im Sinn der Kund:innen sein. Denn bei seriöser Wahrnehmung der Aufgabe können Risiken gesamtheitlich betrachtet und vorgebeugt werden. «Ein reiner Produktabverkauf hat keine Zukunft», unterstreicht ein Teilnehmer. Während wir den Ansatz theoretisch alle begrüssen können, lässt er sich praktisch nur selten vollständig umsetzen. Zum Beispiel bei einer ganzheitlichen Bedürfnisermittlung auf der Basis von Zielen kommt es schon mal zum Feedback von Beratenden: «Meine Kunden haben keine Ziele.» Oder «Meine Kunden sind älter als 65 zum grössten Teil, was sollen die denn noch vorhaben?» – Der erste scheitert also an der Fragetechnik und der zweite daran, dass er die Frage gar nicht erst stellt.
Weiter in der Diskussion müssen wir feststellen, dass «wir jede Menge Daten sammeln für Nichts. Teilweise haben wir den Kunden bis auf die Schuhgrösse befragt, und dann? Was machen wir damit?». Wer mit klar trainierten sogenannten «Sales Stories» ins Gespräch startet, hat mehr Erfolg dabei, zielgerichtet durch das Beratungsgespräch zu gelangen. Jedoch die allumfassende, mit Gesprächsergebnissen semantisch unverknüpfte Upfront-Bedürfnisermittlung scheint nicht praktikabel. Hier steigen Kund:innen aus (Warum will der das alles wissen?) und Beratende gleichermassen (Wozu brauche ich das?). Da dieses Thema all unsere Gemüter gerührt hat, nehmen wir es direkt für einen nächsten Termin der Interessensgemeinschaft auf: «Die Bedürfnisermittlung im Beratungsgespräch – wo stehen Kund:innen, wie viel ist sinnvoll und was ist einfach zu viel?» – bleibt also gespannt 😊
Erfolgsfaktor Aufbau des Tools: Interaktionsgestaltung und Gesprächsinhalt im Einklang?
Die Idee war auch durch den Tooleinsatz Beratungszeit, also qualitative Zeit mit Kunden zu verbessern und Administrationsaufgaben zunehmend in den Selfservice zu verlagern. Die Teilnehmenden gehen auch davon aus, dass das im Interesse der Kund:innen ist, was wir bestätigen können. Die technische Unterstützung mit den Beratungstools aber ist verlockend: Noch ein Feld und noch eine Eingabemöglichkeit mehr, nicht weil wir es sollten, sondern weil wir es können. Screens beinhalten für das Beratungsgespräch nutzlose Informationen, die sich aber nicht mehr ignorieren lassen, weil sie eben sichtbar sind. So zum Beispiel das Konto für die Amortisationszahlungen bei einer Hypothek. Eindeutig Administration. Eindeutig keine Beratungsaufgabe.
Aber: Auch Beratende verlangen nach diesen Eingabefeldern und nur mühsam lässt sich erklären, dass sie sich damit eigentlich keinen Gefallen tun. Da stellt sich das Gefühl ein, dass Beratende statt auf die Gespräche ihre Energie lieber auf Administration und Abwicklung verwenden. Aber muss, soll und darf das vor den Kund:innen sein?
Die Beratenden sind jedoch nicht allein verantwortlich für dieses Verhalten, denn es ist begründet in Zielvorgaben. Hier haben die Projekte dann auch schnell keine Rückendeckung mehr von der Führung. Diese unterstützt die unmittelbare Administration, die das Kundenerlebnis zwar beeinträchtigt, aber eine erleichterte Nachbearbeitung in Aussicht stellt. Das stellt einen zentralen Zielkonflikt dar, den auch wir bei evux regelmässig beobachten. Oft ist Kundenzentrierung eben nicht gleich Kundenzentrierung und beide Sichtweisen haben ihren Punkt: Der Fokus auf Beratungsinhalt und Gesprächsführung macht die Situation mit dem Kunden einfacher und hilft Beratenden, ihre Gesprächsziele zu erreichen. Der Fokus auf die erleichterte Nachbereitung verkürzt die Prozesszeit insgesamt – auch für Kund:innen. Aber beides erreichen zu wollen, ist «de Föifer und s Weggli». Besser fahren diejenigen, die hier klar sind und bleiben.
Erfolgsfaktor Einführung: Das Gerät bedienen oder damit beraten?
Bei der Einführung der Tools ist insgesamt einiges mehr zu beachten als die Bedienung. Wir haben im Austausch das Beispiel Autofahren heran gezogen. Denn darin lernen wir ja auch nicht, nur den Ferrari zu bedienen, sondern können danach auch Fiat, Opel oder Trabi fahren, da die Verkehrsregeln gleichbleiben, auch wenn das Tool wechselt. Die Verkehrsregeln sind es dann auch, deren Verletzung zu Bussen führt. Hier haben unsere Teilnehmenden die Erfahrung gemacht, dass die Bedienungsschulungen auf Distanz funktionieren, aber der eigentliche Gesprächseinsatz über die remote-Schulungen nicht so gut vermittelt wird.
Da häufig die Einführung eines Tools eine Methodenänderung mit sich bringt, implizit einfach dadurch, dass neu das Tool eine Rolle im Gespräch spielt und explizit zum Beispiel durch die Einführung einer neuen Beratungsleistung (prominent momentan: Vorsorge), wird in den Schulungen oft eine Dimension vergessen. Die neuen Verkehrsregeln und die praktische Fahrprüfung im realen Strassenverkehr 😉 So bleiben Vorbehalte und Berührungsängste mit dem neuen Vorgehen bestehen. Was jedoch immer hilft, ist das Vorleben der Vorgesetzten. Mehrere Teilnehmende können berichten, dass ein Vertriebsleiter in der hierarchisch organisierten Bank ein bedeutender Treiber der Umsetzung und Motivation der Beratenden darstellt.
Erfolgsfaktor Projektmanagement: Gut oder gut genug?
Schliesslich konnten wir eine grosse Herausforderung bei der Unterstützung der Vorhaben in der Planung diskutieren. Die Konkurrenz auf den Ressourcen zur Umsetzung ist gross und das Einsehen der Wichtigkeit eher gering. Dies betrifft nicht nur die Phasen nach der ersten Inbetriebnahme sondern auch schon die Projektphasen, was uns ehrlich gesagt erstaunt. Wir kennen das Phänomen, dass die Tools verwaisen, sobald sie ersteingeführt sind, dass sie aber bereits in der Projektphase um Ressourcen mit anderen Vorhaben zielgefährdend konkurrenzieren ist neu. Dass ein wesentlicher Treiber des Erfolgs von Beratungstools eine sinnvolle Ressourcenallokation ist, muss daher wohl noch einmal aufgeführt werden.
Leichter ist die Beschaffung von Ressourcen für die Teilnehmenden, in denen das Projekt eine klare interne Priorität erhält (wenn auch nicht die höchste). Im Betrieb später lassen sich Unzulänglichkeiten strukturiert suchen, aber sie dringen auch ohne eine systematische Suche zumindest symptomatisch immer einmal wieder bis zum verantwortlichen Team durch. Dann aber stellt sich ein schon öfter beklagtes Phänomen ein – Bequemlichkeit. «Uns geht’s doch gut. Warum sollten wir…?», zitiert ein Teilnehmer die innere Haltung im Vertrieb. Ohne ein klar formuliertes Bedürfnis der Vertriebseinheiten wird die Weiterentwicklung langsam und das Tempo der Verbesserung aus der Projektphase kann nicht in der Betriebsphase ankommen. Schade für die Kund:innen und die Mitarbeitenden, die mit Herzblut an der Königsdisziplin der Bank schaffen.
Erfolgsfaktor Nutzertests und Nutzerkontakte motivieren am meisten
Die beste Nachricht für uns UX-Experten: Wenn die Verantwortlichen mit den Nutzenden in Kontakt kommen, gibt es jede Menge Motivation. Besser wissen, wie weiter, Anerkennung für geleistete Veränderungen, Vertrauen. Wir fühlen uns hier sehr bestätigt. Ist die Hürde erst einmal überwunden, mit Nutzer:innen zu arbeiten, sind genau diese Punkte die Quelle für sehr viel Energie. Diese Energie benötigt ein Vorhaben wie die Beratungsunterstützung. Denn sie braucht lang, um wirklich umgesetzt zu sein, weil sie mehr ist als nur ein neues Werkzeug – Beratungsunterstützung initiiert einen gewaltigen Change. Den bringen wir nur gemeinsam mit vielen Perspektiven, verschiedenen Know-hows und ganz vielen «Warum machen wir das so?»
Hemmnisse und Erfolgsfaktoren von Beratungstools
Was können wir insgesamt lernen? Was sind Aufpassfelder und Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung und Einführung von Beratungstools?
Grösste Hemmnisse im Alltag
- Verweigerer (Beratende, die das Tool nicht einsetzen)
- Senior Management und Beratende mit Abwicklungsfokus, der in die Beratungstools Einzug hält
- Change unterschätzt und notwendige Nacharbeiten werden nicht angegangen, was zu weiteren Verweigerern führt
Erfolgsfaktoren von Beratungstools
Besser geht das alles, wenn wir uns Folgendes klar machen:
- Beratungstool und Gesprächsvorgehen (=Beratungsmethodik/Beratungsphilosophie) müssen im Einklang sein, um Verweigerern vorzubeugen. Sind Teile des Tools «so nicht anwendbar auf meine Kunden», lass ich es weg.
- Die Bedürfnisermittlung ist der Anfang eines roten Fadens im Gespräch, wir können aber sowohl methodisch als auch durch die Möglichkeiten im Tool die Kund:innen überfordern – und nein, es ist nicht die Komplexität die wir im Beratungsgespräch der Kundschaft zeigen müssen, sondern die transparente und gemeinsame Herleitung der Lösung.
- Die Abwicklungsdetails verwässern die Beratungsaufgabe und sorgen für Gesprächsschwierigkeiten (Kunden empfinden das Zuschauen beim Dateneingeben langweilig bis peinlich und fragen oft, warum sie das nicht daheim selbst machen können). Helfen können beim Überzeugen des Managements miterlebte Nutzertests und moderierte Erfahrungsaustauschrunden mit den Beratenden.
- Autofahren üben statt Bedienung vom Auto lernen: Wenn das Beratungstool und die bisherige Methodik nicht im Einklang sind, ist es um so wichtiger, Wert auf die neue Methodik, die Moderation des neuen Gesprächsteilnehmers und die Sales Stories in der Ausbildung zu legen.
- Direkte Ausbildungen statt Kaskadenschulungen funktionieren besser. Ein Treiber der Motivation sind die Vertriebsvorgesetzten, an denen sich die Vertriebsmitarbeitenden stark orientieren. Sind sie Vorbilder, hilft das bei der ersten Akzeptanz der Lösung.
Bei diesem Mal haben wir wieder sehr spannende Aspekte der Umsetzung von Beratungsunterstützung diskutiert. Manchmal sehr emotional sowohl in die positive als auch in die negative Richtung. Halten wir uns aber am Kundenerlebnis fest, bleiben wir alle mit mehr Mut dabei. Wie du in deine Vorgehensweise diese Mutpunkte einbaust, besprichst du am besten direkt mit uns bei evux! 😊
Das nächste Treffen der Interessensgemeinschaft findet im Herbst statt. Bist du interessiert, auch eine Einladung zu erhalten? Meld dich bei uns!