Ausgangslage
Die digitale Entwicklung macht keine Pausen. Ständig werden wir mit neuen Technologien konfrontiert. Endnutzerinnen und Endnutzer bewegen sich dabei relativ schnell in Richtung der neuen Technologien. Unternehmen aber hinken der Anpassung an das veränderte Marktumfeld oftmals hinterher. Es gilt, die Kommunikation, Produkte und Geschäftsmodelle auf die neuen Kundenbedürfnisse abzustimmen. Dabei muss der Fokus auf den Nutzenden und ihrem Verhalten liegen. Unternehmen, die zu langsam adaptieren, riskieren es, den Erwartungen und dem neu erlernten Verhalten der Kundinnen nicht mehr gerecht zu werden und Geschäft zu verlieren. Unternehmen, die diese Adaption gar nicht schaffen, verschwinden früher oder später vom Markt. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind Blockbuster Inc. und Netflix. Beide Unternehmen waren früher im Videoverleih tätig, doch durch das Internet und Streaming haben sich die Kundenbedürfnisse verändert. Netflix konnte mit den Neuerungen mithalten. Blockbuster Inc. nicht.
Dieser Herausforderung der Adaption ist sich auch CKW bewusst. Aber wie digitalisiert ist CKW? Wo steht sie in der digitalen Entwicklung? Welche Lösungen gibt es und wie stehen Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitende dazu? Je nach Anliegen bieten sich verschiedene Portale und Touchpoints, um dieses Anliegen zu lösen. Das birgt die Gefahr, dass Use Cases mehrfach abgebildet werden. Dadurch entstehen Datensilos, die sich immer stärker auseinanderentwickeln, je länger sie bestehen. Das Ergebnis ist ein gutes Kundenerlebnis durch Zufall und ein Management des Kundenerlebnisses nach dem Prinzip Hoffnung. Das Ziel von CKW war es deshalb, eine einheitliche Portalstrategie zu erarbeiten, um Synergien nutzen zu können und das Kundenerlebnis zu verbessern. Im Zentrum steht also die grundlegende Idee eines Serviceportals.
Ein Serviceportal bietet einen zentralen Anlaufpunkt für die Interaktion zwischen Kundinnen und Kunden mit Unternehmen, wodurch die Kommunikation und die Transaktionsprozesse vereinfacht und beschleunigt werden können.
Das Vorhaben führte uns von einer Analysephase gemäss der 5 Marktkräfte von Porter über einen Visionsworkshop zu einem spannenden 6-pager (Amazon 6-pager Technik, Artikel in englischer Sprache), der strategische Optionen für die Portallandschaft der CKW enthält. evux agierte hier als analytische Lupe, Advokat der Kundensicht und Prozessmoderator. Unser Partner GARAIO übernahm die Rolle des technischen Sparrings und die Massnahmen- und Umsetzungsplanung.
Umsetzung
Überraschung 1 in der ersten Phase: CKW hat mehr als 80 (!) Portale. Wozu dienen die Portale, gibt es Mehrfachzwecke und was bedeutet die aktuelle Landschaft für unsere Kundinnen und Kunden? Gibt es Konkurrenz, gegen die wir antreten und welche Trends könnten wir aufnehmen, um uns zu stärken? Diesen Fragen stellten wir uns im Folgenden.
Stakeholderinterviews
Folgende Fragen haben wir durch Gespräche mit Personen von CKW beantwortet:
- Wie wird innerhalb von CKW ein Portal definiert?
- Was sind die Erwartungen an ein Portal?
- Wer sind die Hauptnutzer und welche Aufgaben müssen auf dem Portal erledigt werden können?
Dies half allen Beteiligten, eine gemeinsame Basis zu schaffen. Da wir insbesondere auch Stakeholder im Kundenkontakt befragen konnten, entstand auch bereits eine erste Hypothese, dass sich die Verhaltensweisen der bestehenden Kundschaft in zwei Aufgaben gliedern lassen:
- Etwas erledigen
- Etwas Neues erwägen
Hier sind die Unterschiede im Verhalten und auch in den Erwartungen an die CKW sehr deutlich.
Trend- und Kundenanalyse
Bei einer Strategie ist es wichtig, dass diese nicht aus einer einzelnen Perspektive heraus formuliert wird. Eine interessante Modellgrundlage bilden deshalb die fünf Marktkräfte, die Porter definiert hat (Porter, 1980). Augmentiert durch die moderneren Herausforderungen aus der Digitalisierung wird daraus ein vielschichtiges Bild für die Ausrichtung einer Strategie. Das ist zum Beispiel die Definition von Konkurrenz: Sprechen wir in der digitalen Welt von Konkurrenz, dann geht es selten um den Wettbewerb in der Branche, sondern häufig um den Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Der Vergleich geht nicht mehr (nur) über die Produkt- und Dienstleistungseigenschaften, sondern über die digitale Verfügbarkeit, User Experience und die Interaktionsgüte (= Antwortzeiten bei Service-Anfragen, Empathie im Kundendienst usw.).
Wir haben die CKW bei der Analyse folgender drei Aspekte unterstützt:
- Welche Trends und Megatrends sind in Customer Journeys von CKW interessant? Dafür haben wir zunächst die Megatrends identifiziert, die anwendbar sind (und angewendet werden sollten). Sie bilden den Ausgangspunkt für die Recherche von Lösungen. Bei Megatrends handelt es sich um langfristige Veränderungsprozesse. Sie sind wesentliche Treiber für den Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft. Für CKW liegt das Augenmerk besonders auf den Megatrends Neo-Ökologie, Sicherheit, Konnektivität und Mobilität.
- Konkurrenz: Hier geht es weniger um den Vergleich von EVU zu EVU (direkte Konkurrenten). Portale im Energiebereich werden grundsätzlich wenig genutzt. evux weiss aus vorangegangenen Studien, dass insbesondere im Standardportalumfeld Lösungen einen sehr ähnlichen Funktionsumfang aufweisen. Die Nutzung ist sehr tief und häufig steht der Aufwand sich einzuloggen in einem schlechten Verhältnis zur Motivation, das Portal zu benutzen. Warum verbringen die Kunden in anderen Portalen mehr Zeit? Wie bewerten Kunden die digitale Präsenz der Konkurrenten? Wie kommuniziert und arbeitet der Konkurrent mit den Kunden zusammen?
Hierzu wurden mehrere Unternehmen aus den Branchen Telekom, Energie, Neobanken, Versicherungen und Immobilien genauer untersucht.
- Kunden: Welche Bedürfnisse haben die Kunden? Wie verhalten sie sich? Was an Daten vorhanden und zugänglich war, konnte in das Briefing unserer KI Aino eingeschlossen werden. Die KI analysierte Unterhaltungen im öffentlichen Netz sowie DSGVO-konforme Daten, um daraus Verhaltensmuster zu bilden. Diese Verhaltensmuster sind als Personas dem Projekt im Anschluss verfügbar. Ihre Einstellung zu den interessierenden Themen und zu CKW helfen uns, bessere Hypothesen zur Zusammenstellung von Soll-Customer-Journeys zu bilden.
IST-Customer Journey
Zuerst die Draufsicht, dann der eigene Ritt. Wir starteten in die Customer-Journey-Analyse mit einer breiten Auslegeordnung von Beratungs- bzw. Dienstleistungsfällen und mit hypothetischen Personas – solange die KI-Personas noch nicht vorlagen. Doch so richtig mochten die Schwierigkeiten der Kundinnen und Kunden auf ihren verschiedenen Bedürfnispfaden bei uns nicht landen.
Statt also weiter in der Draufsicht auf die Journey zu verharren und möglicherweise den Blick für das Wesentliche zu verlieren, machten wir uns auf und gingen auf Safari. Die Projektteilnehmenden widmeten sich jeweils eines ausgewählten Szenarios und sammelten ihre eigenen Eindrücke mit CKW. Wie lange dauert eine Antwort? Was passiert mit meinen Angaben im Kontaktformular?
Jetzt bekam die analytische Journey ihre ersten empirischen Eindrücke. Wir konnten Geschichten teilen und uns über die unter unseren Erlebnissen liegenden Basisbedürfnisse unterhalten. Allen war nun klar: analysieren ist etwas anderes als erleben. Und wenn wir das noch einmal reflektieren, gewinnen wir besonders starke Einblicke.
Die Hypothese der beiden Journeys «etwas erledigen» und «etwas Neues erwägen» konnte zu diesem Zeitpunkt bestätigt werden. Denn die Bedürfnisse unterschieden sich recht: Beim Erledigen wollen wir schneller Antworten, erwarten dass wir nicht durch Nebeninformationen zerstreut werden und lassen uns aufhalten, wenn etwas unsicher aussieht. Auf der Suche nach etwas Neuem waren wir selbst zum Beispiel offener für Informationsarten und Kanalwechsel. Mit unseren Hypothesen aufgebaut, konnten wir den Leitfaden für Kundeninterviews verbessern und im Anschluss die Erlebnisse von Kunden noch tiefer in den Interviews besprechen. Das reichhaltige Bild vom Kundenerlebnis galt es nun in die Zukunft zu versetzen.
Visionsworkshop
Mit all dem erarbeiteten Wissen im Gepäck haben wir uns anschliessend der Zukunft zugewendet. Wie sollen die identifizierten Schwachstellen der Journey neugestaltet werden? Und welche Voraussetzungen braucht es? Wie sieht das Kundenerlebnis der Zukunft aus? Im Rahmen eines Lego Serious Play Workshops sind wir diesen Fragen nachgegangen und konnten unabhängig von Stufe oder Organisationseinheit eine sehr offene Diskussion über den aktuellen Kontext und die notwendigen Veränderungen führen. Ein anspruchsvoller Tag voller Erkenntnisse und einem LEGO-Modell, das wir am liebsten nicht wieder abgebaut hätten.
Storyboard
Die Vision als Vorbild und die IST-Journey mit all den Informationen aus dem Team, den Kundeninterviews und den KI-Personas entwickelten wir eine «Bildergeschichte» der Zukunft. Es handelt sich dabei um einen hochiterativen Prozess, bei dem gemeinsam eine machbare Story entwickelt wird. Die Story muss dabei bereits einen Fokus haben (z. B. Geschäftskunde XY im Onboarding für das Produkt Z). Anhand des Storyboards sind die neuen Rollen von Tools, Devices und Mitarbeitern erkennbar und geben der Organisation und den Beteiligten ein Gefühl dafür, wie sich die neue Journey anfühlen soll. Wir füttern dabei die Journey mit relevanten technologischen Trends in der Interaktion, die wir basierend auf den Megatrends als substanzielle «Signale» recherchieren können. Das Storyboard ist ein Ausdruck einer wünschbaren Zukunft, ein lebendiges Werkzeug zur zentralen Verortung von Nutzer- und Kundendaten.
Walkthrough
Die verschiedenen Zukunftsszenarien wurden wiederum mit Mitarbeitenden von CKW als auch mit Kunden validiert. Der Vergleich der Wahrnehmung mit einer Innen- und einer Aussensicht war wiederum hochspannend. Was für Kunden zu den Basismerkmalen einer Dienstleistung gehört, stellte für die Personen von CKW ein Begeisterungsmerkmal dar und umgekehrt. Aber ganz oft waren wir uns auch einig.
Ergebnisse
Durch die Vernetzung von Innen- und Aussensicht konnte das evux Team Diskrepanzen aufdecken. Das fundierte Vorgehen entlang des menschzentrierten Ansatzes lieferte grundlegende Ergebnisse für die Formulierung einer zielführenden Portalstrategie.
6-pager
Der Online-Gigant Amazon ist bekannt dafür, keine Power-Point Präsentationen zu verwenden. Stattdessen wird für wichtige Entscheidungsmeetings ein sechsseitiges Dokument aufgesetzt, welches für sich selbst stehen muss. Der 6-Pager muss so geschrieben sein, dass jeder (auch Personen, die mit dem Thema nicht vertraut sind) ohne zusätzliche Nachforschungen weiss, worum es geht. Zum Dokument gehört ein Ablauf, ohne den das Dokument seine Wirkung nicht vollständig entfalten kann.
Das evux Team hat die Portalstrategie in Form eines solchen 6-pagers dargestellt. Das Dokument schält die Handlungsbereiche heraus und erläutert anhand des Digital Transformation Modells drei mögliche Zukunftsszenarien für den Umgang mit den Portalen. Es ist auf die Initiative der Projektmitarbeitenden von CKW zu einer gelungenen, fundierten Auslegeordnung zu strategischen Optionen im Portalbereich gereift. Wir sind sehr stolz auf die gemeinsame Arbeit und konnten viel Know-how gemeinsam aufbauen.
CKW verfügt mittlerweile über ein Team, das die Customer Experience gemeinsam orchestriert – unabhängig von ihrer Organisationszugehörigkeit. Das Storyboard und der 6-pager dienen diesen Fachleuten als Werkzeug und Inspirationsquelle für die Implementierung des Kundenerlebnisses der Zukunft.
Referenzen
https://www.alainveuve.ch/digital-transformation-model/
https://www.iso.org/obp/ui/#iso:std:iso:9241:-210:ed-2:v1:en
https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/die-megatrend-map/
https://writingcooperative.com/the-anatomy-of-an-amazon-6-pager-fc79f31a41c9
Michael E. Porter: Competitive Strategy: Techniques for analyzing industries and competitors: with a new introduction. Free Press, New York 1980